
Das „faire signe“ überzieht die Gemeinschaft der Nonnen mit einem lautlosen Netz ständiger gegenseitiger Aufmerksamkeit, die jedoch nicht Gefahr läuft, in die Eigendynamik eines Gespräches zu geraten. Die gesprochene Sprache des Klosters ist das im Brevier fixierte Gebet, das Psalmodieren auf einer Note oder die laute Lektüre geistlicher Texte etwa während des Mittagessens. Was nach den Mahlzeiten, und den kurzen Erholphasen, der „Récréation“ gesprochen wird, ist ein von der Priorin angeleitetes Sprechen in der Gruppe. Das Klosterleben ist so durchstrukturiert, daß in ihm Sprache als Ausdruck eines Individuums keine – zumindest keine wichtige – Funktion haben soll. Eine Schrifttafel sagt: „Die stille Seele hört Gott.“ Höflich, um Gott nicht zu unterbrechen, schweigen die Nonnen.
Ich war ohne Aufnahmegerät gekommen und hatte mir vorgenommen, zu Beginn meines Aufenthalts nicht mitzuschreiben, um die Lebensform der Frauen nicht zu stören. Aber Notre Mère befand durchaus, daß eine Journalistin mitschreiben solle. Ihre Geduld mir gegenüber habe ich als eine ihrer Bußübungen verstanden.

Ich gewöhne mir an, laut in das runde Schwarz zu sprechen, jedesmal erleichtert, wenn tatsächlich Sr. Marie Ange de Gethsémané antwortet. Sie ist die innerklösterliche Pförtnerin und für die Kontakte am Parloir zuständig. Ich bitte um Einlaß: Gelobt sei Jesus Christus. Ainsi soil-il! In Ewigkeit, Amen. Ich verlasse den dunklen Raum um draußen vor der Konventstür wiederum zu warten, bis schließlich nach einigen Minuten das Geräusch von vier sich öffnenden Schlössern die Priorin und Schwester Véronique ankündigt. Der schwarze Schleier der Priorin führt, der schwarze Schleier Sr. Véroniques folgt: Ich habe im Kloster keinen Schritt ohne Aufsicht getan.Quelle: A. Overath: Stilles Glück
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